Crossmedia Tools – Werkzeuge für crossmediales Erzählen, die man sich leisten kann

Wenn ich mit Journalisten oder Medienschaffenden über die Zukunft rede, kommt als Argument gegen eine crossmediale Weiterentwicklung sehr häufig: „zu teuer“.  Deshalb werde ich in den kommenden Wochen hier Tools vorstellen, mit denen sich jeder Verlag, jeder Radiosender und erst recht jede TV – Station den Schritt in die crossmediale Zukunft leisten kann. Ausdrücklich richtet sich diese Zusammenstellung auch an freie Journalisten oder Autoren, die einfach nur ihre Geschichten crossmedial erzählen und vertreiben wollen. So, wie es in der digitalen Welt nötig ist. Die Liste wird laufend erweitert – denn es kann so günstig sein…

Inhalte publizieren war mal eine richtig teure Angelegenheit. Druckmaschinen betreiben, Papier einkaufen, Sendemasten aufstellen, 24 Kanal Mischpulte für Radiostudios aufbauen – wo man doch nur bestenfalls sechs Regler braucht (irgendwie ist das ein seltsamer Fetisch vieler Radiomacher). Von den Kosten der Werkzeuge einer TV Produktion ganz zu schweigen.

Ein Fernsehstudio in den 1980er Jahren. Foto: J.C.Burns / Flickr
Ein Fernsehstudio in den 1980er Jahren. Foto: J.C.Burns / Flickr

Was bedeutet heute eigentlich noch „professionelles Tool?“

Teuer musste es sein. Denn nur teuer war professionell. Dabei zählten nicht nur die Anschaffungskosten für diese Werkzeuge. Noch teurer, wenn auch seltenst kalkuliert, waren die Personalressourcen, die man einsetzen musste, um diese „professionellen“ Tools bedienen zu können. Zunächst: Lehrgang. Dann: viel zu viele arbeitszeit-fressende Features.

Und schließlich: „professionelle“ Tools laufen in sehr speziellen IT-Umgebungen in nur geringer Installationszahl. Die Fehlerquote ist besonders bei neuer Software erschreckend hoch. Die breite Testumgebung fehlt einfach.

JRiver Mediacenter - Ein Beispiel für ein Tool, das eigentlich für den Consumer-Markt geschrieben wurde, aber besser als die professionelle Software funktioniert. MediaCenter durchsucht auch Datenbanken mit mehreren 10tausend Audiodateien ad hoc nach Schlagwörtern in der Beschreibung.
JRiver Mediacenter – Ein Beispiel für ein Tool, das eigentlich für den Consumer-Markt geschrieben wurde, aber besser als die professionelle Software funktioniert. MediaCenter durchsucht auch Datenbanken mit mehreren 10tausend Audiodateien ad hoc nach Schlagwörtern in der Beschreibung – selbst im eigenen Netzwerk.

So kommt es dann auch, dass bei einem meiner ehemaligen Radiosender 100.000 Euro für eine „professionelle“ Jinglemaschine ausgeben werden, die die ersten Monate nach Einführung alle zwei Stunden im Livebetrieb abstürzte. Die vergleichbare DJ App auf dem IPad schafft es ohne Abstürze über Monate. Oder es gibt die professionelle Audiodatenbank, bei der das Durchsuchen der 20.000 Einträge nach Schlüsselwörtern eine Kaffeepause lang dauert. Und nein, das war nicht 1993…

Consumer ist das neue Professional

Die Geräte, die man heute zur Erstellung von Inhalten nutzen kann, sind günstig geworden, hochwertig und für jeden verfügbar. Die Software ist dank der Marktzwänge in Fragen der User Experience optimiert – also: extrem schnell zu lernen und fließend und befriedigend zu nutzen. Die massenhafte Installation in unterschiedlichsten Umgebungen ist das richtige Test-Ökosystem für stabile Lauffähigkeit spätestens ab Version 1.1. Und schließlich:  ausgefeilte Algorithmen nehmen dem Nutzer sehr viel Routinearbeit ab.

Kurz gefasst: Aktuelle Software ist nicht nur günstig in der Lizenzierung, sie geht auch sehr schonend mit der inzwischen teuersten Ressource um: der menschlichen Arbeitszeit. Früher hieß professionell zum Teil: man hat Zugang zu Produktionsressourcen. Heute heisst professionell im Journalismus oder in der erzählenden Kunst: man hat das Wissen oder Talent zum Storytelling (oder zur Teamführung). Story schlägt eben Technik.

Die Tools und die Methoden

Zur besseren Übersicht fasse ich die Tools entsprechend ihrer wesentlichen Funktionen zusammen:

  • Storytelling Tools: Hiermit kann man seine gesammelten Medienmaterialien zu einer Geschichte mit mehr oder weniger Interaktionen zusammenfassen und in einem für den Rezipienten nutzbaren Format publizieren.
  • Reporting & Editing: Hier werden Tools zusammengefasst, mit denen seine Mediendaten Text, Bild, Audio und Video bearbeiten kann.
  • Datenjournalismus: Diese Disziplin ist für Journalisten immer noch recht neu. Diese Werkzeuge kann man einsetzen, um großen Datenmengen zu sammeln, zu analysieren und letztlich auch zu erzählen.
  • Hilfe für das Marketing: Schöne crossmediale Stories sind nutzlos, wenn niemand sie findet oder das Thema am Publikumswunsch vorbei geht. Doch es gibt Tools, die bei Themenwahl und Promotion helfen können.

Vorsicht vor Crossmedia-Fallen

Nummer 1 – die „alle machen es“ Falle: 
Algorithmen, die die Arbeit abnehmen, sorgen letzlich auch für eine Gleichförmigkeit. Ein Beispiel:
Ja, die Instagram Fotofilter sind toll. Ohne den „eine Woche Photoshop-Kurs“ kann man tolle Bildeffekte erzeugen. Millionen tun das mit ihren Fotos. Entsprechend langweilig werden die Effekte. Also: öfter mal das Tool wechseln und sich langsam an die Werkzeuge ranarbeiten, die mehr Individualität erlauben, aber auch mehr Einarbeitung fordern.

Nummer 2 – die „einer soll alles können“ Falle: 
Es gibt zwei Methoden, crossmedial zu erzählen. Die eine ist „rough“. Gemeint ist die schnelle, aktuelle crossmediale Veröffentlichung, die irgendwie aus dem Handgelenk und spontan entsteht. Gerade diese raue Art des Erzählens, die technische Nicht-Perfektion, der Livecharakter machen diese Crossmediastücke so fesselnd und authentisch. Auch Einzelpersonen können so erzählen.

Die andere Variante der crossmedialen Erzählung ist die des aufwendigen Hochglanzstückes. Hier müssen echte Experten ran. Ich habe in meiner langen Laufbahn als Journalist noch niemanden getroffen, der alle Disziplinen einer crossmedialen Erzählung gleichermaßen auf sehr hohem Niveau beherrscht. Gute Fotografen können selten sprechgeeignet texten, der Autor mit tollem Audiogefühl tut sich möglicherweise mit Datenjournalismus schwer, und der Designer ist eben kein Coder.

Die meiner Meinung nach vor allem vom Spargedanken getriebene Vorstellung, man könnte selbst das hochwertigste Crossmediastück von einem Autoren (plus Fotograf) erstellen lassen, ist trotz der Einfacheit der Tools falsch. Es würde immer etwas fehlen. Crossmedial arbeiten heisst für jeden Aspekt der Geschichte die passende Umsetzung zu finden, und nicht von vornherein durch falsch- oder nichtbesetzung im Team Umsetzungsformen auszuschließen! Hat man nur Menschen aus dem Printumfeld im Team, kommt in den Versuchen crossmedialer Erzählweise auch nur der nett bebilderte viel zu lange Text heraus.

Nummer 3 – Die Effekt-Falle

Geschichten werden mit Multimedia-Inhalten überfrachtet – ein Phänomen, das man schon aus den 1990er Jahren kennt. Damals war es noch ein toller Effekt, dass man ein Video am Computer abspielen konnte.

Es ist in meiner Vorstellung die wohl wichtigste Regel im crossmedialen Erzählen: Nutze die Mediengattung, die zum Inhalt (oder Kapitel, oder von mir aus auch Satz) passt. Und: nutze ausschließlich Inhalte und Methoden, die die Geschichte für den Nutzer wirklich besser machen (und nicht, weil die Grafik dazu doch so schön aussieht und man als Autor beweisen will, dass man das auch noch kann).

Der Medienwissenschaftler Norbert Lang fordert zum Beispiel, dass eine Veröffentlichung nur dann wirklich multimedial ist, wenn sie mehr als die Summe der Einzelmedien ist. Darstellungsformen sollen integriert, und nicht addiert sein (Lang, Norbert (2004): Multimedia. In: Werner Faulstich (Hg.): Grundwissen Medien. 5. Aufl. München: Fink (UTB Medienwissenschaft, Literaturwissenschaft, 8169), S. 303–323. )

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