Wahlberichterstattung 2013 – Lieber Zahlen statt Recherche?

Journalisten müssen in der neuen Digitalen Medienwelt um ihre Relevanz kämpfen. Nur warum vergessen das so viele, gerade bei der Berichterstattung über den Bundestagswahlkampf 2013? Sie versäumen damit eine große Chance.

Seit Wochen bestimmt die Berichterstattung über die Bundestagswahl das Geschehen in der deutschen Medienwelt. Nur lesen, hören oder sehen will das vermutlich kaum noch ein Kunde. Nicht, weil die Kandidaten so langweilig wären, oder ihre Ziele so weltfremd. Es sind in meinen Augen die Beiträge vieler Journalisten, die die Leser, Hörer und Zuschauer vergraulen.

Denn egal, um welches Thema es eigentlich geht – in Wahrheit haben die meisten journalistischen Beiträge zur Wahl nur einen Inhalt: die Umfragen. SPD stellt 100 Tage – Konzept nach einem möglichen Wahlsieg vor: tagesschau.de beginnt den Artikel mit den schlechten Umfragewerten für die Partei. CDU hat Sorgen vor der Wahl: faz begründet das mit den super Umfragewerten für die Regierungspartei. Und der Artikel über das Rot-Grüne Spitzentreffen vor der Wahl besteht bei sueddeutsche.de eigentlich nur noch aus den Zahlen der Meinungsforscher (und der bitteren Ironie über das Ergebnis für die SPD). Diese Liste ließe sich ewig fortsetzen.

Bitte, liebe Kollegen: das alles wissen die Leser, Hörer und Zuschauer seit Monaten. Der Nachrichtenwert der Umfragen ist seit Monaten gleich null.

Gefragt wären scharfe Analysen der Wahlprogramme, menschelnde Stories dazu – vielleicht sogar lokal runtergebrochen. Der Blick über den Tellerand. Genaue Datenanalyse. Aktionen mit den Kunden. Vox Populi … .

Dr. Rainer Esser,  Geschäftsführer des Zeit Verlages hatte gestern bei einer Veranstaltung über die Zukunft der klassische Printverlage in Hamburg ein kurzes und einfaches Statement parat: „Innovation sichert Zukunft“. Er meinte damit sicher das Verlagswesen. Es betrifft aber auch die Inhalte, die die Journalisten produzieren.

Noch nie waren so viele Menschen vor einer Wahl so unentschlossen. Auch das sagen die Meinungsforscher. Welch eine Chance für die Medien. Journalisten sollten den Unentschlossenen Inhalte bieten. Doch sie versäumen das sträflich – und damit die Chance, wieder relevanter für das Leben ihrer Kunden zu werden.

Ergänzung vom 24. September 2013

Nach der Wahl gibt es wenigstens einige Journalisten, die sich genau in diesen Fragen in Selbstkritik üben. Einer davon ist Sebastian Heiser, Redakteur der taz. Seiner Meinung nach sollten die Journalisten nach der Wahl zurücktreten. Mehr im taz Hausblog.

 

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