Auffindbar machen – ein Plädoyer für mehr Medienbildung

Es ist spannend. Zum ersten Mal in meiner Berufswelt erlebe ich den Weg zu einem neuen, gesellschaftlich und wirtschaftlich sehr wichtigen Gesetz mit. Die Bundesländer – zumindest einige – beginnen mit der Arbeit an einem neuen Mediengesetz, dass das alte – und auch veraltete – Rundfunkrecht in Deutschland ablösen soll. Ein persönliches Plädoyer für weniger Regulierung und mehr Bildung:

Das deutsche Medien- und Rundfunkrecht wird sich in den nächsten Jahren massiv verändern – endlich der gegenwärtigen Medienwelt angepasst. Der Prozess dieser Veränderung steht noch ganz am Anfang. Die Player und Lobbyisten bringen sich in Stellung. Der Hamburger Senat gehört zu den sehr aktiven Moderatoren der Diskussion um ein neues Medienrecht. Kürzlich lud man gemeinsam mit der Landesmedienanstalt das Fachpubilkum zum Kongress.

Die Rundfunkregulierung gehört abgewickelt

Das Medien in Deutschland Ländersache sind ist eine Lehre aus den Zeiten des Nationalsozialismus. Es sollte unmöglich gemacht werden, dass eine einzelne Regierung Macht über die Medien bekommen könnte. Entsprechend schwierig wird die Diskussion um ein neue Rundfunkregulierung in den nächsten Jahren werden. Hamburg als Sitz vieler klassischer Verlagsmedien, eines starken öffentlich-rechtlichen Senders und auch als Firmensitz von google Deutschland wird andere Interessen vertreten als das Land Bayern mit den Firmensitzen von Pro7Sat1 und Sky.

Allein diese Auflistung einiger Stakeholder macht deutlich, warum die Rundfunkregulierung nach Meinung vieler abgewickelt gehört. Ein Privatsender wie RTL unterliegt der Rundfunkregulierung. Werbezeiten sind begrenzt, (teure) Regionalberichterstattung muss produziert werden usw. Ein Stakeholder wie google kennt für seinen Dienst youtube eine solche Regulierung nicht. Google darf in Deutschland uneingeschränkt „senden“ (mit Ausnahme, wenn es um Dinge wie Jugendschutz geht), muß seine Werbezeiten nicht begrenzen – google hat schlicht keinen „schweren Rucksack an Vorschriften“, den man mit sich rumtragen muß. Google bewegt sich derzeit weitgehend in einem unregulierten Markt.

Ähnliche Fragen muß man sich auch für Verlage stellen, die Podcasts oder eigenes Bewegtbild produzieren. Und ist ein google Hangout mit einem Sender und vielen Empfängern nicht eigentlich Rundfunk (siehe sueddeutsche.de: „Abhängen mit der Bundeskanzlerin„)?.

Man erkennt, die einzige Lösung ist: Rundfunkrecht abschaffen und – wenns denn gewollt ist – durch ein Medienrecht ersetzen. Denn es gibt sie nicht mehr – die Frequenzknappheit, die Regulierung begründete – und es gibt sie dank der Medienkonvergenz nicht mehr, die klassische Unterscheidung von einzelnen Mediengattungen.

Das Problem mit der Auffindbarkeit

Medien haben in Deutschland eine gesellschaftliche Aufgabe. Auch, wenn man das Anhand des 20.15 Uhr Fernsehprogramms und des Formatradios gern mal übersieht. Die Medien sind wesentlicher Teil der demokratischen Meinungsbildung und damit unverzichtbar für eine Gesellschaft. diese Bedeutung wird durch die gegenwärtig Rundfunkregulierung gestützt. Dazu gehört die Verpflichtung, die Kabelnetzbetreiber haben, die Öffentlich-Rechtlichen Programme auf jeden Fall übetragen zu müssen. Aber nützt das noch etwas?

Trotz aller kommerzieller Zwänge und vieler Scheren in den Köpfen der deutschen Journalisten: die Medien sind schon noch frei in Deutschland. Wie es das Grundgesetz fordert. Was aber, wenn kein Zuschauer die Inhalte mehr findet, die zum demokratischen Meinungsbildungsprozess beitragen? Wenn eine hervorragende Reportage zum Beispiel über Obdachlose im dichten grauen Nebel zwischen Rote Rosen und magersüchtigen Topmodels gar nicht mehr wahrgenommen werden kann? Oder, wenn ein gut produziertes und recherchiertes Hörfunkfeature über die Folgen von Medikamententest an Menschen (siehe Feature „Bei Risiken und Nebenwirkungen: Tod“ von Dieter Bauer) sowieso von den „Superhits“ und der „besten Musik“ übertönt werden?

Hier könnte das Internet seine Stärken ausspielen. Ich suche nach einem Thema, und finde die Inhalte dazu.

Und hier beginnt leider das Problem.

Sucht man zum Beispiel bei google nach einem Thema – oder auch bei bing oder yahoo – wer garantiert denn, dass die Suchergebnisse wirklich ausgewogen sind und nicht den kommerziellen Interessen Einzelner in die Hände spielen? Die Suchergebnisse sind nicht reguliert und unterliegen letztlich dem Interesse des Suchmaschinenbetreibers, Geld zu verdienen. Von Dritten ließe sich so die demokratische Meinungsbildung recht leicht in ihrem Interesse beeinflussen.

Ein – und ich betone das deutlich – fiktives Beispiel. Ein Stromkonzern, nennen wir ihn Schwedenpower, sieht sich dem Problem gegenüber, dass seine Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet werden sollen. Zumindest, wenn der Gesetzentwurf der Bundesregierung durchkommt. Eine Standard-Strategie des Internemarketings reicht, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Zuerst lässt man ein paar Videos produzieren, die vor den wirtschaftlichen Risiken des Atomausstiegs warnen. Dann baut man ein paar Blogs zum Thema mit der wissenschaftlichen Meinung weniger, wie unsinnig ein Atomausstieg sei. Dazu beauftrag man eine Agentur, Videos wie Blogs mit vielen Kommentaren für die Suchmaschine relevant erscheinen zu lassen und packt noch ein paar hunderttausend Euro Werbebudget für Keywordmarketing obendrauf, und schon werden von zehn Suchmaschinenergebnissen zum Thema Atomausstieg acht die Position von Schwedenenergie vertreten.

So manipuliert man öffentliche Meinungen.

Der Regulierungswunsch

Da muß ein Gesetz her, denken viele an dieser Stelle. Ein Gesetz, das die Suchergebnisse von Suchmaschinen inhaltlich neutraler macht. Eine Form, die auch das Ausbrechen aus der Filterblase und somit eine echte Meinungsbildung erlaubt (Zentraler Bestandteil der“Googlemaschine“  ist der Versuch, den Menschen persönlich relevante Suchergebnisse auszuspielen. Das bedeutet jedoch auch, dass man zum Beispiel eher die Inhalte geliefert bekommt, die der ohnehin schon vorgefassten Meinung entsprechen und diese noch verstärken.).

Aber wie sollte eine Regulierung dieser Art wirklich funktionieren? Den Content eines bestimmten Anbieters nach vorn stellen? Die Anzeige von Suchergebnissen von „Qualitätsmedien“ an vorderer Stelle verpflichtend machen? Bloß nicht. Denn wer entscheidet, was „Qualitätsmedien“ sind? Und kann User Generated Content wie der von Wikipedia ein Qualitätsmedium sein? Die Liste der Fragezeichen einer Regulierung dieser Art ist sehr lang.

Angedacht ist auch, bestimmte „Qualitätsmerkmale“ zu definieren. Alle Medien, die sich daran halten, erhielten Vorrang bei den Suchmaschinen. Aber: Nachrichten sind ein schnellebiges Thema. Wie lange würde die Überprüfung denn dauern, ob ein Blogger diese „Qualitätsmerkmale“ erfüllt. Und geht es um das Produkt oder eine Marke, die überprüft wird? Genießt die ARD sowieso per Definition das Siegel „Qualität“ und erhält dann mit allen Inhalten den Vorrang. Stellen Sie sich vor, man sucht nach „Lüneburg“ und bekommt eine Folge von „Rote Rosen“ (wo die Serie spielt) als qualitäsgeprüftes Suchergebnis?

Diese Wege führt unweigerlich in eine Sackgasse.

Mehr Medienbildung muß her!

Die meiner Meinung nach beste Lösung ist bisher noch nicht diskutiert worden. Ich denke: Verzichtet auf Regulierung. Bildet die Menschen!

Bringt den Nutzern bei, wie sie qualitative, ausgewogene journalistische Inhalte von PR unterscheiden können (das ist sogar recht einfach). Gewöhnt sie daran, das Impressum eines Blogs zu lesen. Macht ihnen klar, wie wichtig es ist, die Quelle einer Meldung zu kennen. Erinnere sie daran, sich möglichst immer eine zweite Meinung einzuholen. Lest zu bild.de auch immer bildblog.de.

Dazu müßten sich die Journalisten und Medienmacher auch eingestehen, dass sie nicht mehr die öffentliche Deutungshoheit über die Welt besitzen – was ein schwieriger Prozess sein wird. Die Medienbildung würde die Deutungshoheit wieder denen zurück geben, denen sie gehört. Den Bürgern.

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