Krautreporter vs. Protonet – Fünf Lehren aus Crowdfunding zwischen Scheitern und Rekord

In den vergangenen drei Wochen gingen zwei bemerkenswerte Crowfunding-Kampagnen zuende. Das Hamburger Technologie-Startup Protonet sammelte in der Rekordzeit von 10 (!!) Stunden und acht Minuten 1,5 Million Euro Kapital von Privatanlegern ein (also, der „Crowd“), um dann noch einmal weitere 1,5 Millionen in den nächsten fünf Tagen einzustreichen. Nach eigenen Angaben ein Weltrekord.  Gleichzeitig erreichte das Journalismus-Startup Krautreporter nur sehr knapp sein Ziel, innerhalb von vier Wochen 15.000 Abonnenten vorab zum Jahrepreis von 60 € zu gewinnen – vor allem dank des Engagements einzelner größerer Anleger. Warum tut sich der Journalismus so schwer, und warum gewinnt die Technologie? Fünf Dinge, die man daraus lernen kann, damit das eigene Crowdfunding besser wird.

 

Krautreporter vs. Protonet - Scheitern und Weltrekord im Crowsfunding
Krautreporter vs. Protonet – Beinahe-Scheitern und Weltrekord im Crowdfunding

 1. Erfahrung

Die Macher von Protonet haben in ihrem steilen Weg von der Gründung im Hamburger Betahaus bis zum Crowdfunding – Weltrekord einen Haufen Erfahrung im Geldeinsammeln gemacht. Schon seit 2010, als Chef-Öffentlichkeitsarbeiter und Geschäftsführer Ali Jelveh zum ersten mal öffentlich von seiner Protonet-Vision den anderen Geeks und Gründern im Betahaus berichtetete. Seit dem  hat Ali seine Pitches bei bestimmt hunderten Auftritten auf Startup-Veranstaltungen und Investorentreffen verfeinert (und sie sind inzwischen wirklich gut, word!). Dazu kam schon eine erste erfolgreiche Crowdinvesting-Kampagne, als Protonet 2013 die ersten 200.000 € einsammeln konnte.

Das Team von Krautreporter scheint sich da eher auf die Berufserfahrung verlassen zu haben. Sicher, Journalisten denken gern, sie könnten das alles, was man zum erfolgreichen Funding braucht. Aber es ist eben doch ein Unterschied, ob man berichtet oder eine Story erzählt (wie es im Crowdfunding nötig ist).

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Lerne: Selbst Kommunikationsprofis müssen die Kommunikationsmaßnahmen für eine Crowdfunding-Kampagne lernen. Von 0 auf eine Million funktioniert nicht.

2. Die Story, das Problem und die Lösung.

Protonet profitiert natürlich von der andauernden Berichterstattung über das Abhören des Internetverkehrs durch diverse Geheimdienste. Dieses Thema beschäftigt eine ganze Bandbreite von Menschen – eben nicht nur Computerfachmänner und -Frauen. Die Story liegt auf der Hand, genauso wie das Problem. Protonet bietet eine Lösung dafür. Die Daten sind nicht mehr in einem anonymen Rechenzentrum gespeichert, sondern im eigenen Büro, unter dem Schreibtisch.   Bessere Voraussetzungen für Crowdfunding / -Investing kann es ja gar nicht geben.

Krautreporter haben eigentlich auch eine gute Story. Der Onlinejournalismus tendiert dank falscher (oder gar nicht vorhandener) Strategien, falscher KPIs (Reichweite statt Engagement) und schlussendlich dank fehlendem Innovationsnährboden in klassischen Medienunternehmen zur inhaltlichen und wirtschaftlichen Bedeutungslosigkeit. Nur die Kunden, die Medienkonsumenten, haben das in der Masse noch nicht bemerkt. Und vermutlich interessiert es auch die wenigsten. Der persönliche Mehrwert, der in hochqualitativem Journalismus steckt, ist kaum „erfühl-bar“. Deshalb haben vermutlich vorwiegend Medienprofis in Krautreporter investiert, und nur wenige Nutzer.

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Lerne: Habe eine Story und löse ein Problem, dass möglichst viele auch nachfühlen können.

 

3. Glaubwürdigkeit

Dem Protonet-Team ist es richtig gut gelungen, glaubwürdig zu sein. Das liegt natürlich zunächst einmal daran, dass sie bereits ein Hardwaremodell erfolgreich entwickeln konnten – man traut ihnen also zu, auch ein neues Servermodell zu bauen. Mindestens genauso wichtig war jedoch, dass Protonet durchgängig bei der schlüssigen Story (siehe 2.) geblieben ist. Sie haben eine Vision, und die ist: die Welt etwas besser machen. Und das kaufte man ihnen ab.

Krautreporter setzte auf Prominenz. Zumindest aus Mediensicht. Spätere Leser kennen vermutlich niemanden aus der Krautreporterredaktion, schon gar nicht, wenn man nur das Bild zu sehen bekommt. Da überschätzen sich Medienschaffende und ihr persönlicher Wert in der Gesellschaft mal wieder. Mein persönliches K.o.-Kriterium war jedoch dieser Teil der Crowdfunding-Website:

Hier machte sich Krautreporter selbst unglaubwürdig: die Klickvieh-Überschrift im heftig.co - Stil
Hier machte sich Krautreporter selbst unglaubwürdig: die Klickvieh-Überschrift im heftig.co – Stil

Wie bitte will man für Qualitätsjournalismus stehen, wenn man schon in der eigenen Kampagne Methoden nutzt, die genau für das Gegenteil stehen? Überschriften dieser Art werden von den Portalen genutzt, deren einziges Geschäftsmodell ist, möglichst hohe Klickraten zu erzeugen. Dafür gibt es doppelten Punktabzug!

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Lerne: Sei authentisch, bleib bei der Story.

4. Das Finanzierungsmodell

Krautreporter nutzten eine Vorab-Verkaufsstrategie. Kaufe, bevor das Produkt da ist. Das kann funktionieren, wie zum Beispiel bei der legendären Teekampagne von Prof. Faltin. Damit das funktioniert benötigt man aber einen massiven Vertrauensvorsprung.

Protonet nutzte Crowdinvesting. Die Geldgeber werden Anteilseigner des Unternehmens. So sind sie wirtschaftlich am Erfolg des Produktes beteiligt. Im Idealfall vervielfacht jeder Investor seine Einlage. Und um die Kampagne in Gang zu bringen nutzte Protonet auch noch den geschickten Schachzug, dass die ersten Großinvestoren die ersten Modelle des neuen Servers geschenkt bekommen haben.

Für Krautreporter hätte es auch noch einen dritten Weg gegeben – den des klassischen Crowdfundings. Hier geht es tatsächlich um Spenden-Sammeln. Im Laufe der Kampagne wechselte die Außendarstellung. Das Krautreporter-Team begann, öffentlich um Geld zu betteln bitten, statt die Stärken des Magazins nach vorn zu setzen.

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Lerne: Wähle das Finanzierungskonzept, dass zum Produkt, zur Vision und zur Größe passt.

 5. Vorbilder

Die Protonet-Kampagne stand in Tradition zahlreicher Kampagnen der US-Crowdfunding-Plattform Kickstarter – eine Plattform vor allem für Hardwareinnovationen.

Krautreporter orientierte sich offenbar an dem niederländischen Magazin „De Correspondent“ (Hintergründe im Interview bei detektor.fm). Nur leider ist der niederländische Medienmarkt nicht mit dem deutschen Markt vergleichbar. Konzepte, die bei unseren Nachbarn funktionieren, müssen bei uns noch längst nicht einschlagen.

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Lerne: Wenn man sich Vorbilder sucht, dann diejenigen, die zur eigenen Story und Strategie passen. Ansonsten: setz lieber eigene Akzente, konzentrier Dich auf eigene Stärken.

Fazit:

Ich respektiere den Mut des Teams von Krautreporter. Jeder, der innovativ vorangeht, wird Fehler machen. Wirklich wichtig ist, aus diesen Fehlern zu lernen. Zumindest gibt uns Krautreporter die Chance, über den Diskurs zur Kampagne aus diesen Fehlern zu lernen.

 

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